Plutos Nahtod-Erfahrung
- Chantal

- 6. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Apr.
Dieser Titel mag etwas dramatisch klingen, denn Plutos Leben war vielleicht nicht wirklich in Gefahr. Dennoch fühlte es sich für mich – für einige wenige Momente – so an, als würde mein Hund, mein bester Freund, mein geliebter vierbeiniger Begleiter, sterben. Doch von Anfang an.
Am Samstagnachmittag vor zwei Wochen waren wir auf einem Ausritt unterwegs – unsere zwei grossartigen Wanderreiter, die mir bereits so viel Herzlichkeit und Güte entgegengebracht haben: Er, ein IT-Genie, sie, (m)eine Tierärztin – sowie eine unschlagbare Marketing-Expertin, die mich schon oft mit cha.plut und meinen verrückten Ideen unterstützt hat. Drei wunderbare Menschen mit ihren Vierbeinern – zwei Pferde, ein Maultier und ein grossartiger Hund – gemeinsam mit Bonnie, meiner Reitbeteiligung, Pluto, meinem Hund, und mir.
Da Pluto einen ausgeprägten Jagdinstinkt besitzt und ich ihm derzeit auch zu Pferd nicht vollständig vertraue, führte ich ihn den Grossteil des Ausritts an der Leine. Auf dem Rückweg entschied ich mich jedoch, ihn abzuleinen – irgendwann muss es schliesslich in der Praxis getestet werden, ob der Rückruf funktioniert.
Keine fünf Minuten später wollte Bonnie schneller vorwärts als die anderen. Trab statt Schritt. Wie gemein auch – auf einem schmalen Waldpfad, der etwas steiler hinauf ging, Schritt zu verlangen. Pluto, der trotz zahlreicher Verletzungen durch Pferde bis heute nicht gelernt hat, Abstand zu halten, war in der Nähe. Als ich Bonnie durchparierte, wich sie nach rechts aus – genau an die Stelle, an der Pluto gerade intensiv schnüffelte. Was passierte? Ein Teil von Bonnies Bein – ob Huf oder Bein ist unklar – traf Pluto. Ein Jaulen, ein Winseln; Er hielt Abstand, während ich angespannt beobachtete.
Fünfzig Meter weiter bemerkte ich, dass Pluto zu humpeln begann. Ich rief in die Gruppe: „Bitte anhalten!“. Sofort wurde gestoppt. Ich stieg ab. Innerhalb der wenigen Sekunden, die es brauchte, um zu stoppen, abzusteigen und mich Pluto zu nähern, verloren seine Hinterbeine jegliche Kraft. Ich rief nach (m)einer Tierärztin: „Ich brauche deine Hilfe!“. Die Zügel wurden an die nächste Person weitergereicht, und in Sekunden sassen wir beide bei Pluto auf dem Boden. Er war zusammengebrochen, hechelte und zitterte, eine Tannennadel stand aus seinem Auge heraus. Meine Emotionen überwältigten mich – einen ähnlichen Zusammenbruch hatte ich bereits erlebt; Damals verlor der Hund innerhalb weniger Minuten sein Leben.
Meine Gedanken rasten, mein Herz schien zu zerreissen – in dieser Situation bin ich davon überzeugt: Dies sind Plutos letzte Momente. Bonnie muss ihn an der Wirbelsäule oder am Kopf getroffen haben, irgendetwas ist ernsthaft verletzt. Mein Hund liegt vor mir im raschelnden und doch nassen Laub, mitten im Wald, und stirbt. Und ich kann nichts tun. Ich bin unendlich dankbar, dass meine Tierärztin dabei ist – eine wunderbare Freundin, die ich auch ohne ihren Beruf nicht missen möchte. Doch in diesem Moment hilft es, dass sie Tierärztin ist. Sie kann nicht viel tun – aber sie strahlt eine Sicherheit und Ruhe aus, die ich dringend benötige. Warum? Meine Gedanken drehen sich bereits darum, seinen Tod festzustellen.
Tränenüberströmt versuchte ich, mich zusammenzureißen. Meine Tierärztin benötigte ihr Stethoskop – die Marketing-Frau versuchte vergeblich, jemanden telefonisch zu erreichen, und schrieb in unseren Stall-Chat. Bevor eine Antwort kam, entschied der IT-Mensch, mit seinem Maultier und dem Hund „schnell“ in den Stall zu reiten. Falls niemand vor Ort wäre, könnte er mit dem Auto zurückkommen. Gesagt, getan – Mann, Muli und Hund verschwanden schneller, als wir realisieren konnten.
Pluto erholte sich allmählich und schaffte es, wenn auch wackelig, wieder auf vier Pfoten zu stehen. Doch was tun? Wir befanden uns auf einem schmalen Waldpfad, unerreichbar für Fahrzeuge. Die beiden Frauen nahmen die drei Pferde und gingen zu Fuss voraus bis zu einem befahrbaren Punkt – Pluto und ich tasteten uns langsam hinterher. Tragen musste ich seine 30 kg nicht – er konnte selbst gehen (übrigens sind 30 kg zappelnder Hund keine einfache Sache zum Tragen). Inzwischen wussten wir: Die Stallbesitzerin ist auf dem Weg. Die Stallbesitzerin, deren Pferd ich reiten darf und die inzwischen – wie meine MitreiterInnen – eine gute Freundin geworden ist.
Am Treffpunkt wurde Pluto erneut untersucht. Seine Reflexe waren normal, sein Herz – abgesehen von den bekannten Herzgeräuschen – schlug regelmäßig. Er wirkte fast wieder fit und zog an der Leine – wie immer. Dennoch fuhr ihn die Stallbesitzerin mit dem Auto in den Stall, während wir drei Frauen die Pferde zurückritten.
Im Stall wurde klar: Pluto hatte „nur“ einen Kreislaufzusammenbruch, der unglücklicherweise genau nach dem Aufeinandertreffen mit Bonnies Huf oder Bein stattfand. Oder davon ausgelöst wurde, wer weiss das schon. Der IT-Mensch und sein Maultier hatten auf ihrem Ritt Strecken in einem Tempo zurückgelegt, das bei einem normalen Ausritt undenkbar gewesen wäre – und alle Beteiligten, ob Mensch oder Tier, hatten in dieser Ausnahme-Situation instinktiv das Richtige getan. Ein Verhalten, das für alle Beteiligten selbstverständlich schien, aber für mich keineswegs selbstverständlich ist.
Die Herzuntersuchung von letzter Woche hat nun auch endgültige Sicherheit gegeben: Das bekannte Herzgeräusch von Pluto ist zurzeit noch kein Problem und war wohl kaum ein Auslöser für seinen Zusammenbruch. Er ist normal belastbar und (noch) nicht auf Medikamente angewiesen.
War es für Pluto eine Nahtoderfahrung? Ich weiss es nicht. Für mich jedoch fühlte es sich an, als müsste ich mitten im Nirgendwo Abschied von meinem besten Freund nehmen. Ich bin unendlich dankbar, dass es nur ein Gefühl war – und dass es nicht Realität wurde. Ich bin froh, dass ich so viele wundervolle, großartige Menschen um mich hatte. Ich bin dankbar, dass ich später bei meinem treuen Begleiter meine Gedanken sortieren konnte. Und mir wurde einmal mehr bewusst, wie sehr ich auf meinen Vierbeiner und sein Wohlergehen angewiesen bin.





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